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Heimkehr der PEKING im September 2020

Die Sensation

Es war soweit. Montag, der 7. September 2020 sollte in doppelter Hinsicht ein historischer Tag werden. DER Höhepunkt des Jahres wartete auf die Segelschiffsgucker in Deutschland.

Zum Einen sollte die Viermastbark PEKING, vormals "Flying-P-Liner" der Reederei Laeiz nach 88 Jahren in der Fremde endlich HEIMkehren nach Hamburg. Denn: In Hamburg wurde sie vor 109 Jahren bei Blohm & Voss gebaut; Hamburg war für Jahrzehnte ihr urprünglicher Heimathafen; Und nicht zuletzt war Hamburg bis zum Verkauf nach England auf 16 Ihrer 18 Reisen wieder ihr Zielhafen, meist mit einer Ladung Salpeter aus Chile.

Zum Anderen war die Überführung von der elbabwärts an der Stör gelegenen Peters Werft in Wewelsfleth, wo sie in den letzten drei Jahren professionell saniert wurde, zum Bremer Kai im Hansahafen in Hamburg wohlmöglich für viele Jahre die letzte Gelegenheit, das Schiff in offener Landschaft - wenn auch geschleppt und ohne Segel außerhalb der Stadt in Fahrt zu sehen.

Doch ausgerechnet für diese unwiederholbaren Bilder ließ meine Kamera mich in Stich. Mal wieder rächte sie sich für einen unsanften Fall. Die nun schwergängig Objektivmechanik sorgte für unscharfe Bilder. Und dann sorgte eine nicht korrigierte völlig überdrehte ISO-Einstellung von meinen ersten Versuchen, den schlechten Lichtverhälnisse bei der morgentlichen Störwerkspassage gerecht zu werden auch noch für stark verrauschte Bilder. Höchst unprofessinell, Herr Zedler! Die Technik ist mittlerweile zur Reparatur; Fotoratgeber sind gekauft; Nun fehlt nur noch Zeit zum Üben ...

Die PEKING auf dem Heimweg nach Hamburg etwa Höhe Lühe Fähranleger am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Die Masten der PEKING auf der Stör noch hinter dem ungeöffneten Störsperrwerk am frühen Morgen des7.9.2020 © Andreas Zedler

Rolling Home - Die PEKING auf der Stör Richtung Elbe fahrend am frühen Morgen des 7.9.2020 © Andreas Zedler

Die PEKING durchfährt das Störsperrweg auf ihrem Weg zur Elbe am Morgen des 7.9.2020 © Andreas Zedler

Rolling Home - Die PEKING auf der Stör Richtung Elbe fahrend am frühen Morgen des 7.9.2020 © Andreas Zedler

Die PEKING in der Störmündung mit dem Kernkraftwerk Brokdorf im Hintergrund am frühen Morgen des 7.9.2020 © Andreas Zedler

So wie ich stürmten hunderte Enthusiasten schon vor Sonnenaufgang die Ufer der Stör und das Stör-Sperrwerk bei Wewelsfleth und haben trotz der gut vorbereitete Polizei am frühen Morgen für ein kleines Verkehrschaos gesorgt. Die Spannung stiegt. Als dann im Zwielicht langsam und lautlos die Masten hinter dem Speerwerk auftauchten begannen die Zuschauer zu realiseren: Es ist kein Traum mehr. Die Heimreise beginnt wirklich. Jetzt.

Doch das Wetter machte es nochmal spannend und ließen uns Zuschauer beinahe wieder zweifeln: Passiert das wirklich? Denn kaum dass die Sonne die Szenerie sanft in das Licht der Realität tauchen wollte, verschwand die PEKING wie fliegende Holländer in plötzlich aufkommenden Seenebel hinter der Insel Rhinplate.

Die PEKING auf der Elbe jenseits der Nordspitze der Rhinplate im Seenebel am Morgen des 7.9.2020 © Andreas Zedler

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Später kamen dann tausende Neugierige auf die Deiche entlang der niedersächsichen Seite der Unterelbe, vorallem zur fast fünfstündigen Pause auf der Reede Twielenfleth. Sie wurden nicht enttäuscht.

Die PEKING nach Auflösung des morgentlichen Seenebels im Mittagsdunst auf der Reede Twielenfleet am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Als die Schlepper die schon immer motorlose PEKING danach mit der nächsten Flut wieder in Bewegung setzten, wurden sie begleitet von einer ganze Flotte von Privatyachten, Hafenbarkassen und Traditionsschiffen wie ehemaligen Fracht- und Fischereiseglern, Dampfern, Bereisungsfahrzeugen, Lotsenbooten, Kümos und alten Hafenfähren.

Die PEKING auf dem Heimweg nach Hamburg begleitet von einer Ehreneskorte aus Traditionsschiffen wie dem Peil- und Bereisungsdampfschiff SCHAARHÖRN am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Hoch emotional und oft mit Freudentränen in den Augen haben dann auch die Hamburger in der Stadt IHR Schiff wie ein verlorenen geglaubtes Kind ZU HAUSE willkommen geheißen. Wohlmöglich war es für viele mehr als nur Entschädigung für den abgesagten Hamburger Hafengeburtstag.

Die PEKING in Sichtweite der Hamburger Elbphilharmonie am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Die PEKING passiert die Werft Blohm + Voss, auf der sie 1911 gebaut wurde. Hamburg, 7.9.2020 © Andreas Zedler

Die PEKING querab Anleger Altona (Fischmark). Links der Michel, in Bildmitte die Landungsbrücken und das Mahnmal St. Nikolai voraus. Hamburg, 7.9.2020 © Andreas Zedler

Subjektive Vermutungen eines Laien als Antworten auf ein paar selbst gestellte Fragen

Warum war die Rettung der PEKING in letzer Minute erfolgreich?

Nun soll sie also in Hamburg bleiben. Für immer. Als Flaggschiff eines noch zu erbauenden nationalen Deutschen Hafenmuseums. Nicht mehr zum Segeln aber wieder genauso wie in New York City als Museumsschiff.

Wo liegt der Unterschied?

IN NYC taugte die PEKING ohne jeglichen geschichtlichen Bezug zur Stadt den Einwohnern nicht als identifikationsstiftendes Wahrzeichen. Auch im übertragenen Sinne blieb der eigentlich imposante Viermaster unscheinbar klein vor der erdrückenden Front der riesigen Wolkenkratzer des "Big Apple".

Es erfolgte kein konsequenter originalgetreue Rückbau der Umbauten, die während ihrer Zeit als stationäres Schulschiff ARETHUSA in Großbritannien vorgenommen wurden, Auch die Wiederherstellung von verlorengegangner Ausrüstung und Möblierung blieb unvollendet.

Ganz im Gegenteil: Ohne ausreichender finanzielle Unterstützung mußten die Mitarbeiter des South Street Seaport Museums "blutendem Herzen" hilflos miterleben, wie ihr Schiff nach kurzer Blüte wieder verottete, bis sogar das Betreten des Schiffes für die Museumsbesucher aus Sicherheitsgründen nicht mehr erlaubt werden konnte.

Die PEKING nach Ausdockung und Überführung von Brunsbüttel nach Wewelsfleth kurz nach ihrer Ankunft am Ausrüstungskai der Peters Werft GmbH am 2.8.2017 © Andreas Zedler

In Deutschland dagegen standen vom Bund bewilligte 120 Mio. Euro deutscher Steuergelder für das Gesamtpaket Neubau Deutsches Hafenmuseum sowie Rückholung und Restaurierung der PEKING als dessen Flaggschiff mit gegenseitiger Deckung der beiden Teilprojekte zur Verfügung. Für ursprünglich geplant 26 Mio., real letzlich 38. Mio. Euro aus dem Paket wurde das Schiff zügig und konzentriert drei Jahre lang in Wewelsfleth auf der Peters Werft GmbH gründlichst saniert, weitestgehend originalgetreu in den Zustand um 1927 zurück versetzt und auf Hochglanz gebracht.

"Hamburger Viermaster" ist nicht zuletzt Dank eines bekannten, wenn auch wenig schmeichelhaften Shantys nicht nur im Norden Deutsdchlands ein Begriff, so dass sich die PEKING durchaus auch bundesweit als idealer Repräsentant der Windjammer aus der letzten größen Blüte der Segelschifffahrt etablieren kann.

Ihr nun wieder weitgehend originärer Zustand und der ebenso originäre Kontext Hamburger Hafen machen die PEKING einzigartig. Damit hebt sie sich von ihrem ebenso noch existierenden und ebenso als stationäres Museumschiff betriebenem Schwesterschiff PASSAT ab. Das am Priwall liegende maritime Wahrzeichen von Travemünde kann aber zumindest einen Teil seiner Erhaltungskosten zusätzlich zu Museumsbetrieb, Spendeneinnahmen und Zuschüssen der zuverlässigen Eigenerin Hansestadt Lübeck auch durch Übernachtungen und Vermietung für Feiern im extra dafür umgebauten Rumpf decken.

Die PEKING nach Abschluß der Restaurierung in Wewelsfleth zwei Tage vor ihrer Heimreise am Ausrüstungskai der Peters Werft GmbH am 5.9.2020 © Andreas Zedler

Die euphorisch Begrüßung der PEKING in Hamburg lässt hoffen, dass die neue Eignerin, die Stiftung Historische Museen Hamburg auch noch Jahre später für evtl. notwendige Griffe in die Stadtkasse den Rückhalt der Bürger finden wird, damit sie sich genauso so sorgsam um ihren "Hamborger Veermaster" kümmern kann, wie bisher die Stiftung Hamburg Maritim. Für das Flaggschiff eines dann nationalen Museums ist auch der Bund weiterhin in der Pflicht.

Was also ist letzlich in Hamburg anders als in New York City?

Meiner Meinung nach ist es schlicht der originäre Kontext, die sich daraus ergebende regionale und teils auch bundesweite Rolle als identifikationsstiftendes Wahrzeichen und damit die Bereitschaft der Bevölkerung und der von ihr gewählten Entscheidungsträger zu einen dauerhaften kontinuierlichen städtischen und staatlichem Zuschussbetrieb.

Manifestiert hat sich diese im Engagement und Herzblut aller gut vernetzten Beiteiligten, vorteilhaft gepaart mit dem hanseatisch nüchtern kalkulierenden Realitätssinn und der Behaarlichkeit und Sturheit der Mitspieler aus Hamburger Wirtschaft und Politik schon im Vorfeld bei ersten konzeptionellen Planungen, jahrelangen Verhandlungen mit dem New Yorker Museum, mit Versicherungen, Werften und Dockschiffreedern, beim Einholung erster unverbindlicher Angebote zur Ermittlung des Finanzbedarfs sowie beim Ausloten möglicher Geldquellen.

Exemplarisch zeigt sich das bei der Bezahlung der Versicherungsbeiträge für das noch in New York liegende Schiff ab 2015 durch die Reederei Laeiz, der früheren Eigentümerin des Schiffes. Obwohl die Finanzierung von Transport und Restaurierung durch den Bund noch nicht abzusehen war, kamen Vater und Sohn Schües in ihrer Rolle als Eigner der noch immer existierenden Reederei erst spät, aber genau zum richtigen Zeitpunkt aus der Deckung und sicherten mit 200.000 Euro den erneuten und letzten Aufschub der angedrohten Abwrackung des in "Seenot" geratenen New Yorker Museums.

Nicht zuletzt galt es auch noch Skepsis und Widerstand der Konkurrenten bei den Zuteilungen aus öffentlichen Fördertöpfen zu überwinden.

Die PEKING mit stolz am Bug gesetzter Hamburger Stadtflagge, quasi als die den Heimathafen anzeigede Gösch auf der Elbe kurz vor Hamburg am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Wer waren die Macher?

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen:

Die PEKING mit Nationale an der Oberbesangaffel und den stolz an den Toppen gesetzten Flaggen der Peters Werft, der SHM, der SHMH und der Reederei Laeiz auf der Elbe kurz vor Hamburg am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Warum ist die PEKING nicht segelklar saniert worden?

Ein Umbau der vorhanden Originalkonstruktion zum aktiven Segelschiff nach aktuellen Standards und Sicherheitsvorschriften wäre höchstwahrscheinlich schlicht weder "denkmalsgerecht" noch "marktgerecht".

Defact wäre es wohl ein krampfhaftes Hinein-Konstruieren in das alte Korsett, eine unbezahlbare und sinnlose Quasi-Neubau-Friemelei unter weitestgehendem Austausch der Originalsubstanz. Denn auch Stahl ermüdet und ist auf See ungleich höheren Anforderungen ausgesetzt als beim Liegen im Hafen. Nicht unerhebliche zu Buche schlagen würden fehlende bzw. sind nicht ausreichende und veralte zusätzlich einzupassende Ausrüstungen wie Schotten, moderne leistungsfähige Pumpen, Kabinen mit Sanitärzelle; ein Motor! Generatoren u.a. auch an Deck!, Wassertanks, Treibstofftanks, Fäkalientanks, Leitungen, Rohre, Klimatechnik, Kühltechnik, eine Kombüse nach modernen Hygienestandards, Feuerlöscheinrichtungen, Bordelektrik, Navigationsgeräte inkl. Radar und AIS, Funktechnik, Rettungsboote und -flöße; eventuelle Modifikationen am Rigg aus Sicherheitsgründen usw. usf. Und natürlich fehlen SEGEL samt zugehörigem Tauwerk (Schoten, Geitaue, Gordings, ...) und sicher auch ein Bugstrahlruder für Hafenmanöver. Wahrscheinlich würde die alte Dame am Ende noch nicht mal die Zulassung bekommen, weil Klassifikationsgesellschaften vieleicht nicht nur ein Problem mit der Lage des Steuerstandes hätten ...

Nicht zuletzt stellt sich mir die Frage: Würde es für einen kostendeckenden Betrieb auf einem weiteren traditionell geriggten Sailtrainingschiff in dieser Größeordnung in Deutschland überhaupt ganzjährig genug Mitsegler geben, die für den Bordbetrieb als aktive Crewmitglieder arbeiten müssten und dafür auch noch zahlen sollen statt bezahlt zu werden? Denn wenn das Schiff nicht mehr als Touristenattraktion im Hafen liegt: Warum sollten Stadt und Staat den Betrieb weiter finanzieren? Wäre dann nicht eher die Verwendung als Luxuskreuzfahrschiff realistischer? Spätestens dann kommt wohl nur noch ein kompfortabler Neubau mit automatisiertem Rigg für eine kleine, bezahlbare, platzsparende sowie an Deck nicht "störende" Besatzung in Frage.

Ein konsequent kompletter Neubau nach ungefährem Vorbild der PEKING mit vielen notwendigen Abweichungen auch im äußeren Erscheinungsbild wäre wesentlich preiswerter. Aber er wäre eben nicht die originale PEKING.

Kurz vor dem Heimathafen der PEKING erhalten die Cuxhavner Schlepper Unterstützung:
Hamburger Schlepper gehen vorsorglich standby am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Trotz aller Segelträume war dies allen Beteiligten klar. So konnten sie zielgerichtet das Sanierungsziel "denkmalsgerechtes Museum" verfolgen und damit ebenso konsequent auf eine Ertüchtigung zum aktiv fahrenden Segelschiff verzichten. Möglichst viel einer ansonsten auszutauschenden Originalsubstanz blieb damit erhalten. Dazu gehört auch die Beibehaltung einiger Gangspills, die hoffnungslos festgerostet sind. Eine vollständige funktionsfähige Restaurierung war unmöglich und eine Neuanfertigung weder bezalhbar noch denkmalsgerecht. Altersspuren durch Rostfraß, die die Sicherheit des fest liegenden Schiffes nicht gefährden, blieben am Rumpf deutlich unter dem Lack erkennbar.

Doch es gibt auch Kompromisse, vorallem hinsichtlich eines sicheren, behindertengerechten und modernen Museumsbetriebes durch Einbau von Fahrstühlen, Treppen, Sanitäranlagen inklusive Zu- und Ableitungen, Beleuchtung, Beschallung, WLAN und durch Räume für die Museumsmitarbeiter (Sozialraum, Umkleideraum, Küche) sowie der dafür notwendigen Strom- und Datennetze, Elektrotechnik und Elektronik.

Auch das Schweißen der Reparaturstellen statt Nieten gehörte zum Verzicht auf unangemessene, den Kostenrahmen sprengende Originalität.

Und selbstverständlich verzichtete man auf den Wiedereinsatz von hochwirksamen aber ebendso giftigem Bleioxid (Mennige). Diese leuchtend orange Rostschutzgrundierung wurde unerwartet erst in der Werft in Wewelsfleth unter alten Farbschichten entdeckt und musste unter aufwändigen und teuren Gesundheitschutzmaßnahmen erst sachgerecht entfernt und entsorgt werden. Das verzögerte die Sanierung und trieb die Kosten in die Höhe.

Die PEKING am Vortag der Heimreise am Ausrüstungskai der Peters Werft in Wewelsfleth am 6.9.2020 © Andreas Zedler

Warum wird die PEKING "weit ab vom Schuss" liegen?

Die leidige Liegeplatzfrage ist entschieden. Die Details der Entscheidungsfindung kenne ich nicht. Das Schiff liegt z.Z. an der Westseite des Hansahafen am südöstlichenlichen Ende des Bremen Kais, vormals "Bremer Ufer" direkt neben dem bereits bestehenden Hamburger Hafenmuseum. Bis zur entgültigen Ertüchtigung als Museumschiff ist es nur von Außen zu besichtigen. Ab Mitte 2021 soll es vollständig auch Innen begehbar sein. Spätestens 2030 soll ein neues nationales Deutsches Hafenmuseum auf dem ehemaliegen Schumacherwärder, dem nordöstlichen Teil des in Enstehung befindlichen neuen Stadteils auf dem Kleinen Grasbrook fertig sein. Es soll am Ende der Straße Schuchmacherwerder kurz vor dem Veddelhöft gebaut werden. Direkt davor am Ufer der Norderelbe soll dann die PEKING liegen.

Der jetzige Liegplatz ist nicht haltbar, da ein Neubau für das neue Museums mit zuerwartenden wesentlich höherem Publikumsverkehr innerhalb des dort bestehenden Gefährdungsgebietes nicht zulassungsfähig ist. Da würde es auch nicht helfen, den Liegeplatz etwas weiter nördlich am gleichen Kai in Richtung Hansahöft verschieben würde oder mit größerem Aufwand für neuen Anleger und Verkehrsanbindung sogar noch weiter in Richtung Amerikahöft, auch wenn die PEKING dann näher an die Norderelbe rücken und damit besser von der City aus zu sehen wäre.

Der zukünftige Liegeplatz außerhalb des Gefährdungsgebietes hat den Vorteil, dass er in einem ehemaligen Hafengebiet liegt, das für eine öffentliche Nutzung als Wohn- und Freizeitgebiet bereits freigegeben ist. Der Bau des Deutschen Hafenmuseums wurde bei der städtebaulichen Auschreibung bereits berücksichtigt.

Negativ bewertet wird im Internet immer wieder die Entfernung zu den vehrkehrstechnisch sehr gut erschlossenen, citynahen Landungsbrücken, dem touristischen Epizentrum des maritimen Hamburgs, auch wenn dieses wiederum viele Standorte hat und sich dessen geographischer Schwerpunkt in den letzten Jahre mit dem Traditionsschiffhafen im Sandtorhafen und dem Internationalen Maritimen Museum an "Brookthor"- und "Magdeburghafen" immer mehr nach Osten in Richtung Neuer Hafen-City auf dem Großen Grasbrook und somit auch zum historischen Segelschiffhafen auf der gegenüberliegenden Elbseite verschiebt.

Der zur Zeit ihre Enstehung riesige Frachtschiffrumpf der PEKING. Ausrüstungskai Peters Werft Wewelsfleth am 6.9.2020 © Andreas Zedler

Aber nicht nur im Kontext des bestehenden Hamburger Hafenmuseums mit seiner historischen Hafeninfrastruktur mit Lagerhallen, Kränen usw. ist der jetzige Liegeplatz denkmalsgerechter als leichter erreichbare und citynahe Kais. Auch in anderer Beziehung sind jetziger und zukünftiger Liegeplatz allemal "originalgetreuer":

Zielhafen der PEKING war früher i.d.R. der "Amerkiaquai" im historischen "Segelschiffhafen" oder auch der "Afrikaquai" im Indiahafen. Beide Häfen exisiteren nicht mehr, da sie zugeschüttet wurden. Übrig geblieben sind das Afrikahöft und ein nicht mehr nutzbarer versandeter Rest von etwa einem Fünftel des Segelschiffhafens. Der Indiahafen lag westlich an der Rückseite es derzeitigen Hamburger Hafenmuseums im Hansahafen. Der Segelschiffhafen liegt unmittelbar nordöstlich neben dem Hansahafen. Der jetzige temporäre Standort der PEKING liegt also weniger als eine halbe nautische Meile von den nicht mehr vorhandenen früheren Liegplätzen entfernt. Der zukünftige Standort wird auch etwa eine halbe nautische Meile nördlich vom historischen Liegeplatz sein.

Mein Favorit wäre dennoch dieser ehemalige Segelschiffhafen. Aber der müsste zum einen aufwändig ausgebaggert und auch zukünftig mit Steuergeldern nur für die PEKING tiefgehalten werden. Zweitens ist er von der Landseite durch weiter bestehender Hafenanlagen blockiert und nicht öffentlich zugänglich. Drittens könnte er möglicherweise ebenfalls noch im Gefährdungsgebiet liegen, das schon den Bremer Kai (das ehemalige "Bremer Ufer") im Hansahafen blockiert.

Eine aberwitzige Lösung für die Museumstandorte Hansahafen oder Segelschiffhafen wäre die Verlagerung der die Gefährdung verursachenden Hafeninfrastruktur, beim Segelschiffhafen zusätzlich auch der dort befindlichen Hafenanalgen. Selbst wenn die Stadt hierführ alternative Standorte anbieten könnte, würde wohl nicht mal die Berliner Geldverbrennungsmaschine auf die Idee kommen, einen lebenden, gewinnbringenden Teil des Hafens, dem Herzen der ganzen Stadt auf Kosten des Steuerzahlers für einen "Nachruf" auf denselben in Form eines Hafenmuseums zu verdrängen.

Wie sollte das Hafenmuseum "Globalisierung" thematisieren?

Das Projekt "Deutsches Hafenmuseum" hat sich das hochaktuelle Thema "Globalisierung" auf die Fahnen geschrieben.

Ich hoffe, die Umsetzung erfolgt nicht nur in rein dokumentarischer und analytischer, sondern auch provokativer Art, trotz und gerade weil Hamburgs Wohlstand nach wie vor unmittelbar von der Leistungsfähigkeit seines Hafens abhängt und die Stadt alles dafür tut, hier konkurrenzfähig zu bleiben. Und das sie tut das konsequent, auch ohne Rücksicht auf den hohen ökologischen Preis, wie die Kontroversen um Elbvertiefung und Austieg beim Jade Weser Port Wilhelmshaven zeigen.

Die PEKING ist erstmal nur Zeugnis der letzte Blüte eines Antriebes von Handelschiffen aus emmisionsfreier erneuerbarer Energie. Als frühes hoch effizient industriell hergestelltes und ebenso hoch effizientes Transportmittel der Globalisierung wird sie als Anziehungspunkt vordergründig geeignete Projektionsfläche zu den Themen Technophilie, Fortschrittsoptimismus und freier Welthandel sein.

Gleichzeitig könnte sie aber zu einem Ausstellungs- und Veranstaltungsort einladen, der auch eine inhaltliche, offene und kritische Auseinandersetzung mit der Ambivalenz dieser Themen ermöglicht. Stichworte: Sailing Cargo Ships, Nachhaltigkeit, These von der Unmöglickeit eines "grünen Wachstums", Schule der Genügsamkeit, "ökologischer Rucksack", Entfremdung des Menschen von der Produktion in digialisierter, automatisierter Industrie, Rückkehr zu handwerklicher, gesunder körperlicher sinnstiftender Arbeit ... usw. usf.

Gigantisch groß und filigran zugleich: stählerne Rädchen im Getriebe der Globalisierung - Ein alter Segler und moderne Hafentechnik: die nahezu emissionsfreie PEKING und Containerbrücken für viermal so lange, ähnlich hohe Frachter, jedoch mit 170-fache Nutzlast an der Elbseite des Hamburger Burchardkais am 7.9.2020 © Andreas Zedler

Ein Blick über den Tellerand

Das mit sogar 141 Jahre noch wesentlich ältere, und einzige erhaltene Viermastvollschiff, zudem aus Eisen und nicht Stahl ist die FALLS OF CLYDE mit Liegeplatz in Honolulu auf Hawaii. Obendrein transportierte sie als Segelschiff paradoxerweise den Treibstoff ihrer umweltverschmutzenden Konkurrenten ud Nachfolger: Sie fuhr die meiste Zeit als Öltanker!

Sie hat damit noch mehr Alleinstellungsmerkmale und ist somit noch wesentlich wertvoller als die PEKING. Sie könnte die von mir für die PEKING gewünschte Art des Museumsbetriebes noch viel besser spielen; und zwar für Schottland und Port of Glasgow, wo sie gebaut wurde. Denn anders als Hamburg ist die deindustrialisierte Region von Greenock und Port of Glasogow vom Knotenpukt und Nutznießer des liberalisierten Welthandels zum Opfer desselben geworden. Der ehemaliger Name der Stadt Newark (deutsch: Neuwerk) erhielt durch den Aufschwung als Erweiterung des Hafen- und Werftstandortes Glasgow in der mundartliche Ausprache "New Work" (deutsch: neue Arbeit) eine neue Bedeutung, die hat sie schon lange wieder verloren hat.

Aber ebenso sollte auch Honolulu als langjähriger Heimat- und Anlaufhafen sich weiterhin mit dem Schiff identifizieren können. Doch im Zuge der Rückbesinnung auf seine polynesische Geschichte hadert das Land z.Z. noch mit seinem neueren, negativ besetzten kolonialen Erbe. Nur solltes das Schiff eben nicht zwecks Verherrlichung erhalten werden, sonders gerade in seiner Rolle als DENK-mal, als Stein des Anstoßes zur Kommunikation über Kolonialiserung und den negativen Folgen gewaltsamer Durchsetzung eines angeblich "freien" Welthandels. So könnten sich die Hawaiianer wieder mit Nr. 5 ihrer 33 offiziellen "Nationalen Historischen Wahrzeichen" versöhnen und dennoch gleichzeitig die mehr in den Vordergrund zurückenden einzigartigen Navigationskünste ihrer polynesischen Vorfahren angemessen würdigen.

Leider sind die Ausgangsbedingungen für eine Rettung ebenfalls in letzter Minute die FALLS OF CLYDE jedoch z.Z. wesentlich schlechter als bei der PEKING. Zwar bekam sie ebenfalls wiederholt eine Gnadenfrist. Eine Verschrottung ist aber nicht abgewehrt. Denn was ihr im Gegensatz zur PEKING in Hawaii fehlt ist: Identifikation.

Aber das ist eine andere Geschichte ...

Die Ruhe vor dem Hamburger Begeisterungssturm: Die PEKING nach vorne abgeschirmt durch die Wasserfontänen des Feuerlöschbootes BRANDIREKTOR WESTPHAL, das die feierliche Prozession ab der Stadtgrenze anführte am 7.9.2020 © Andreas Zedler

 


erstellt: 13.09.2020; zuletzt geändert: 23.10.2020
© Andreas Zedler mail@andreas-zedler.de

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